Es war der bedeutende Schweizer Psychiater und Schriftsteller Oskar Forel, welcher in seinem Werk „Geheimnisvolle Rinden“ den Begriff „Synchromien“ formulierte und definierte. Im Gegensatz zur Symphonie, der Harmonie von Tönen, verstand Forel unter Synchromie die Harmonie von Farben und Formen. Als begeisterter Baumfreund und Fotograf verdeutlichte er in seinen faszinierenden Fotos in subtilster Art und Weise die natürlichen Farben und Formen von Baumrinden. Neben den reinen Rindenbildern zeigen Forels ästhetische Synchromien auch eine aus Flechten, Moosen und Pilzen bestehende Natur-Patina. An dieser ist erkennbar, wie Natur sich erfindet, kombiniert, organisiert, wie sie heilt, sich anpasst, wuchert und letztendlich auch vergeht. Die Fotos bieten Einblicke in das Wachsen und Wirken der Bäume. Mit all den geheimnisvollen Lebenserscheinungen inspirieren sie so zu einer eigenen kreativen Sichtweise.
Die hier eingestellten Fotos verstehen sich nicht nur als Rinden-Synchromien im Sinne Forels, sondern im erweiterten Sinne als Lebens-Bilder der Bäume, als Baum-Synchromien!
Das Phänomen „Pareidolien“ ergibt sich aus der Fähigkeit des menschlichen Gehirns in undifferenzierten Mustern und Dingen, vermeintliche Gesichter oder auch Wesen wahrzunehmen. Das menschliche Gehirn neigt dazu scheinbar unvollständige und undifferenzierte Muster zu komplettieren und vertrauten Bildern und Dingen anzugleichen. Dabei hängt die Art und Gestalt des so erzeugten Bildes von der bewussten oder auch unbewussten Erwartung des Gehirns ab. In einer engen Konstellation zueinander sind Augen- und Mund-ähnliche Muster und Strukturen wohl die Hauptauslöser dieses Phänomens. Solche Muster finden sich in Form von Ast-Narben, Ausbrüchen, Morschungen, Höhlen, Maser-Knollen, Wuchs-Anomalien sehr häufig an Baumstämmen und Ästen.
Bäume, als die langlebigsten und größten Lebewesen der Erde, bieten somit in ihrer langjährigen Entwicklung, vom Werden bis zum Vergehen, einen großen Reichtum an Erscheinungsformen und damit viele Möglichkeiten "Pareidolien" wahrzunehmen.
Hat sich ein dann ein Bild als "Pareidolie" erst einmal im Gehirn manifestiert, entfaltet diese dort eine faszinierende Eigendynamik. Sie verleitet zu Gefühlsstimmungen, zu Interpretationen, zu Deutungen und zu einem kreativen Dialog.
Als baumaffiner Mensch ist es für den Fotografen und Verfasser schon seit Jahren immer wieder reizvoll diesen kreativen Dialog zu führen – und ihn noch weiter aus zu gestalten. Bilden "Pareidolien" doch hier den Anreiz schöpferisch tätig zu werden und die Bilder als Grundlage für "Baum-Inversagen“ (s.u.) zu nutzen. Auf dieser Website sollen alle Baumbilder, insbesondere die "Pareidolien" und "Baum-Inversagen" den Betrachter zu dem Faszinosum Baum hinführen um mit ihm in einen kreativen Kontakt und in einen Dialog zwischen Baum und Mensch zu treten.
Mit einem gut bestückten Equipment, bestehend aus Digital-Kamera, einem leistungsstarkem PC und einer Software für Bild-Bearbeitung gelingt es innerhalb weniger Sekunden den technischen Arbeitsprozess von einem Foto bis zur Inversage abzuwickeln. Für die Erläuterung des Workflows bedarf es dann schon einiger Minuten. Wie aber lässt sich eine Baum-Inversage definieren, erklären und deuten, welche Botschaft vermittelt sie?
Der Begriff Baum-Inversagen, wurde durch den tschechischen Lyriker, Dramatiker, Essayisten, Maler, Fotografen und Inversage-Künstler, Milan Napravnik, wie folgt definiert: „Die Inversage entsteht aufgrund einer surrealistischen Methode zur Herstellung von magischer Realität durch Zusammenfügung zweier Invers-Bilder von Fragmenten oder Strukturteilen der natürlichen Realität, einer Realität, die durch Einwirkung von Flüssigkeiten, Feuer, Frost, Hitze, Erosion, Korrosion, Gravitation, Wachstum usw. gebildet wird. Das Inversionsprinzip wird als kreativer Archetypus der irrationalen Wirklichkeit erkannt, d.h. derjenigen, die unabhängig vom menschlichen Bewusstsein und Willen existiert. Nach diesem Prinzip organisieren sich die verschiedensten Naturformen der materiellen Welt: Energie-Felder, Kristalle, Zellen sowie lebende Wesen. Durch den archetypischen Charakter der Inversion wirkt die Inversage als prälogische Form der Realität. Ihr Sinn liegt in der Entfaltung des alternativen Sehens und in der Unterminierung der objektiven Strukturen der rationalistischen Weltkonstruktion“.
Quelle: Zitat aus Milan Napravnik, Publikation anlässlich einer Ausstellung vom 26.10. bis 19.11. 1982 in der Galerie ARS VIVA, Berlin.
Diese, von Milan Napravnik, surrealistisch geprägte Definition erhellt zwar den Entstehungsprozess und listet eine Vielzahl von mitwirkenden Parametern auf, doch das Faszinosum Baum-Inversage ist damit nicht deutbar. Es stellen sich hier unweigerlich Fragen. Sind Baum-Inversagen schlicht und ergreifend nur Spiegelbilder? Sind es irrationale Reflexionen unseres Menschseins im Baum? Welcher Mystizismus tritt da zwischen Baum und Mensch in Kraft? Ist es ein Phänomen welches sich dem rationalen Denkprozess verweigert und jeglicher Definition entzieht? Wie wirken hier die archetypischen Strukturen, welche aus dem Unbewussten hervorbrechen? Entsteht eine Inversage erst mittels einer Sezierung und einer in Ordnung zwingenden Symmetrieachse, oder bestand das Bild schon vorher im geistigen Auge?
Alles Fragen, welche hier nicht beantwortet werden können. Was bleibt ist ein Phänomen, welches verzaubert, inspiriert, befremdet aber auch beängstigt. Diese Auswahl, der von mir erstellten Baum-Inversagen, wäre ohne meine große Affinität zu Bäumen nicht möglich gewesen. Sie sollen für sich sprechen, aus diesem Grunde habe ich auf weitere textliche Erläuterungen und Interpretationen verzichtet.