bäume in der volksliteratur


Der Baum der Liebe

Neuruppiner Blatt No. 5778; Beilage-Bilderbogen in: Die Deutsche Volkskunde Bd.2, 1935
Neuruppiner Blatt No. 5778; Beilage-Bilderbogen in: Die Deutsche Volkskunde Bd.2, 1935

Mitten zwischen grünen Blättern, auf dem schönen Liebesbaum,

Saß ein Heer von Liebesgöttern, oben in der Äste Raum,

Braun und blond und schwarz von Haaren, Rund und schlank, von jungen Jahren,

Alle herzlich sind betrübt, daß sie noch kein Mädchen liebt.

Christelchen und Gustchen gingen an dem Liebesbaum vorbei,

Hörten Sehnsuchtslieder singen und ihr Herz brach morsch entzwei.

 

Ha! Das kommt uns ganz gelegen, laß uns schnell den Baum umsägen,

Alle haben wir sie dann, - und sie fingen hurtig an.

Fiekchen kam herbei geflogen, sah das Wunder auch mit an,

Schnell hat sie am Strick gezogen, sich zu schütteln einen Mann;

Hannchen will es kühnlich wagen, mit dem Stock herab zu schlagen

Dort den Herrn mit Stock und Hut, was tut doch die Liebesglut!

 

Doch die zärtliche Dorinde blickt mit schmachtend-süßem Blick

Nach dem Baume, ob sie finde für ihr Herz der Liebe Glück.

 Ein Husar blitzt durch die Blätter, Emma läuft nach einer Leiter, 

Steigt, voll Freude, schnell hinan und holt sich den Kriegesmann.

Auf der tiefsten Äste einen, so, daß man ihn greifen kann

Sah man einen Alten weinen. Margaretchen schleicht heran.

 

Schnell ward er herabgezogen und im Tanz davongeflogen, 

Lieber einen Alten, als am Ende keinen Mann.

Holder, lieber Baum der Liebe, wo befindest du dich doch!?

Mit dem sehnsuchtsvollsten Triebe, sucht dich manches Mädchen noch.

Der mit der Champagnerflasche, mit der immer leeren Tasche, 

Wenn er´s noch so arg auch treibt, wird am Ende doch beweibt.